Wie gut, dass wir unser Wasser aus der Leitung bekommen!
Liebe Gemeinde, stellen Sie sich bitte vor, Sie müssten für jedes Glas Wasser einen Brunnen aufsuchen. Zum Kochen, Blumen gießen, abwaschen. Baden und Duschen wäre völlig undenkbar.
Wer weiß, welche Einschränkungen in der aktuellen Situation noch erforderlich wären, um trotz Coronavirus an lebenswichtiges Wasser zu kommen…
Denn feststeht: Wasser brauchen wir, also müssten wir zum Brunnen gehen.
Es versteht sich also von selbst, dass ein Brunnen in Zeiten, als das Wasser noch nichts mit den Stadtwerken zu tun hatte ein zentraler Treffpunkt war.
Genau an diesem Ort trifft Jesus auf die Samariterin.
Für uns ist das heute ein gutes Wort. Die Geschichte vom Barmherzigen Samariter hat sich weit über den biblischen Zusammenhang hinaus in unseren Sprachgebrauch eingebrannt.
Aber zu Zeiten Jesu herrscht zwischen den Volksgruppen der Juden und der Samariter eine ausgeprägte Feindschaft. Die in ihrer Auslegung der Religion sehr strengen Juden sehen in dem Leben der Samariter, das von der Vermischung unterschiedlicher religiöser Praktiken geprägt ist, eine Abkehr von Gott. Die Feindschaft geht sogar so weit, dass Juden Samarien wenn möglich gar nicht erst betreten.
Es ist also ein ziemliches Unding, dass Jesus nun an diesem Brunnen mitten in Samarien sitzt und eine Samariterin bittet, ihm etwas zu trinken zu geben. Diese Übertretung einer Grenze ist allein schon ein starkes Zeichen. Jesus lässt sich nicht von Gepflogenheiten, Gruppenzwang, oder Vorschriften zurückhalten.
Er spricht die Frau an. Er wendet sich ihr zu, nimmt sie wahr und nimmt Kontakt mit ihr auf.
Diese Art der Ansprache brauchen Menschen. Und zwar alle Menschen. Nicht nur Samariterinnen, sondern auch Babys und Erwachsene, Männer und Frauen, Iburger und Glaner, Chinesen und Australier. Wenn der Mensch nicht in Kontakt mit anderen ist, stirbt er. Vielleicht fällt uns auch deshalb die aktuelle Einschränkung sozialer Kontakte besonders schwer.
Beziehung ist genauso wichtig wie das Wasser an dessen Ursprungsort die Begegnung im Evangelium stattfindet. Jesus schenkt der Frau durch seine Bitte nach Wasser selbst etwas Lebenswichtiges, nämlich den Kontakt.
Die Frau ist skeptisch. Sie versucht durch Fragen einzuschätzen, mit wem sie es zu tun hat.
Sie kennt sich selbst und ist sich ihrer bewusst. Aber Jesus kann sie nicht einschätzen.
Sicherlich hat die Frau schon einiges erlebt und mitgemacht. In ihrem Leben scheint nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen zu sein. Sie kommt zu einer ungewöhnlichen Zeit. Wahrscheinlich absichtlich, um sich nicht den anderen auszusetzen zu müssen. Sie kann sich sicher sein, dass in der Hitze keiner am Brunnen ist. Und dann kommt Jesus.
Er verurteilt nicht, aber er sieht sie an und wendet sich ihr zu. Er bietet ihr das lebendige Wasser. Für das sie nichts tun muss. Es gibt kein Bewerbungsverfahren, keine Elite, keinen Leistungsdruck.
Trotz allem Ballast, den die Frau mit sich herumschleppt, oder vielleicht gerade deshalb zeigt sich Jesus ganz offen als der, der ihren Durst stillen kann.
„Ich bin es, der mit dir spricht!“, sagt er ganz deutlich.
Durst nach Leben und Sehnsucht nach mehr, kennt die Frau gut. Sie ist auf der Suche, sie weiß um den Messias, den Retter der Welt. Sie hat Hoffnung, dass ihre Suche nach mehr im Leben eine Antwort finden kann. Und sie spürt sie in Jesus.
Und plötzlich stehen da am Brunnen nicht mehr zwei Fremde aus verfeindeten Volksgruppen, sondern zwei Personen, die etwas Großes miteinander teilen.
Die Samariterin, deren Leben sich in dem Moment durch die Beziehung zu Gott so verändert, dass sie allen anderen von ihrer Begegnung erzählt. Und zwar nicht beiläufig als Anekdote, sondern als etwas, das jeden erkennen lässt: Das hier ist MEHR!
Und auf der anderen Seite steht Jesus, der das lebendige Wasser selbst ist. Er lässt sich finden, er lässt sich sprichwörtlich trinken. Für ihn ist es wichtig, dass Menschen ihn finden und ihn in ihr Leben lassen. Anders kann er ihre Sehnsucht und ihren Durst nicht stillen.
Und damit ist auch unsere Sehnsucht gemeint. Wir haben heute alles. Die Welt im Smartphone, den Supermarkt vor der Tür, Versicherungen gegen Erdbeben, Einbruch oder Autounfälle. Sogar fließend Wasser aus der Leitung.
Und trotzdem merken wir: Das ist nicht genug! Wir suchen nach Mehr. Nach etwas, das wir nicht fassen können, weder mit Händen noch mit Worten. Aber wir fühlen: Irgendwo da ist es.
Also: Wo sind unsere Quellen lebendigen Wassers?
Wohin gehen wir, um uns von Jesus beschenken zu lassen mit all dem, was wir nicht selbst machen können.
Wo treten wir in Beziehungen ein, die unser Leben verändern, die uns Zuwendung schenken und Grenzen überwinden?
Die Samariterin begegnet Jesus bei einer ganz alltäglichen Routine. Sie bringt ihren Ballast mit und hat weder aktiv gesucht, noch etwas erwartet.
Und genau dort findet Jesus sie.
Alles, was sie tun muss, ist sich beschenken zu lassen. Jesus zu bitten und zu bekennen: Ich weiß, dass der Messias kommt!
Diesem Bekenntnis möchte ich mich anschließen:
„Ich weiß, dass der Messias kommt.“
Und ich bete, dass meine Augen, Ohren und mein Herz dann offen genug sind, um mich von ihm verändern zu lassen.
(Valerie Sandkämper, März 2020)