Gedanken von Klaus Stühlmeyer
Liebe Gemeinde,
selbst prophetische Menschen, wie Samuel einer war, sehen nicht immer klar. Auch sie hören nicht immer richtig. Als kleines Kind hörte Samuel im Tempelbereich, wo er schlief, dreimal einen Ruf. Er dachte erst, es sei sein Lehrer Eli. Mit dessen Hilfe verstand er schließlich, dass es Gott war, der rief.
Im heutigen Schrifttext sieht Samuel alle Söhne Ísais an, um unter ihnen den zukünftigen König herauszufinden, den er nach Gottes Geheiß salben soll. Er braucht länger, bis er den richtigen erkennt …
Wir erleben Stunden, Tage, ja Wochen einer bedrohlich empfundenen Unklarheit und Verunsicherung durch die Corona-Pandemie, die auch uns erreicht.
Wir fragen uns: Was geschieht gerade mit uns? Wie wird es werden? Wie wird die Corona-Epidemie unser Leben, unsere Lebensqualität, unser Zusammenleben verändern? …
Wir ersehnen Klarheit und Licht am Ende eines Tunnels, in den wir uns hineinzubegeben scheinen.
Aber wie bei Samuel ist das auch bei uns oft nicht die Sache eines Augenblicks, sondern es wird nur allmählich klarer, was es bedeutet. Auf besondere Weise auch in dieser Zeit.
Da heißt es, geduldig und gemeinsam schrittweise weiterzugehen durch das Dunkel hindurch, durch das hindurch, was uns verunsichert, was noch unklar ist oder mehrdeutig. Und dabei zu vertrauen, dass Gott mit uns ist und uns sehend und neu dankbar machen kann: für das Gute, was wir haben; und für die, die mit uns gehen und uns helfen und stützen.
Nicht auf höher, weiter, schneller und lauter stehen die Zeichen der Zeit – sondern auf aufmerksamer, geringer, entschleunigter, einander vielfältig verbundener und von innen her leuchtender.
Vielleicht kann es für uns trostvoll und einander verbindend sein, nach Einbruch der Dämmerung eine Kerze, ein „Hoffnungslicht“ zu entzünden, sichtbar ans Fenster zu stellen und ein Vaterunser zu beten; um so teilzuhaben an einer übergreifenden Gebets- und Hoffnungsgemeinschaft …
„Vielleicht kann jede Hand, die wir nicht schütteln, ein Telefonanruf werden; jede Umarmung, die wir vermeiden, Ausdruck in Worten von Wärme und Sorge finden; jeder Zentimeter, den wir Abstand zueinander halten, zum Nachdenken darüber führen, wie wir einander helfen können, wenn es notwendig wird. (Rabbi Yosef Kanefsky, Los Angeles)
Vertrauen wir darauf, dass Gott größer ist als unser Herz (vgl. 1 Joh 3,20), dass er unsere Verunsicherung und Angst sieht und uns auf dem Weg führen wird – auf das Osterfest zu, auf die Auferstehung ins Leben zu.
Amen.