Gedanken von Christine Hölscher
Liebe Gemeindemitglieder!
Ein Toter, der aus dem Grab aufersteht! Wer wünscht sich ein solches Wunder in diesen Tagen der Corona-Pandemie nicht?!
Wenn es so einfach wäre… Damals ja, bei Jesus war das möglich, aber heute?
Hat Gott uns also verlassen? Glauben wir nicht mehr genug? Oder wie können wir die Auferweckungsgeschichte des Lazarus und die Glaubensgeschichte seiner Schwester Marta heute für uns verstehen und mit in die nächste Woche nehmen?
Mit Jesus leuchtet das Reich Gottes auf, so sagen uns die Evangelien. Und auch der Tod verliert in dieser neuen Perspektive seinen Schrecken. Denn es gibt ein Mehr, ein Darüber hinaus …
Die Geschichte von der Auferweckung Lazarus gibt es nur im Johannesevangelium. Komisch. Wussten die Verfasser der anderen Evangelien, die ja in ihrer Entstehung älter sind, nichts von diesem Wunder? Skepsis kommt auf: Ist das denn dann so passiert?
Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass die Verfasser des Johannesevangeliums den damaligen Gemeinden und auch uns ganz bestimmte Zusagen mit auf den Weg geben wollten:
Und eine dieser Zusagen macht Jesus hier selbst: Ich bin die Auferstehung und das Leben!
Entscheidend ist, dass Jesus die Verheißung des neuen Lebens an seine Person bindet und sich damit weit absetzt von anderen. Die Verheißung ist nicht nur Vertröstung, sondern Zukunftsaussicht. Sie übersteigt alles, was wir Menschen uns auf dieser Welt, begrenzt durch Raum und Zeit, vorstellen können. Deshalb tun wir uns auch so schwer damit. Doch die Zusage gründet sich in Gott selbst, der uns nicht fallen lässt, auch im Tod nicht. Davon war Jesus fest überzeugt!
Der eigentliche Kern des heutigen Evangeliums, das „Wunder“, ist vielleicht nicht so sehr das Ende der Geschichte, als Jesus den Lazarus ruft und dieser aus dem Grab heraustritt, er, der schon einige Tage verstorben ist und schon riecht… ihm, dem vielleicht ein paar weitere Jahre auf dieser Erde geschenkt wurden.
Die eigentlichen Wunder der Auferstehung sind aus meiner Sicht folgende:
- Menschen sind aufmerksam und sensibel! Jesus und seine Jünger erreicht auch in der Ferne die Nachricht von der Krankheit seines Freundes. Ohne solche Netzwerke der Aufmerksamkeit und Sensibilität werden die Mächte des Todes, des Unrechts und der Gewalt schwer zu besiegen sein. Lange bevor durch göttliche Vollmacht die große Wende eintritt, ist schon ein entscheidender Schritt getan: Der Mensch in seiner Not wird überhaupt wahrgenommen, steht nicht mehr am Rand, sondern beschäftigt die Gesunden und Starken und fordert sie heraus. Ein Wunder!
- Eine Frau fragt nach und glaubt Jesus. Martha, die Schwester von Lazarus ist sich nicht zu schade. Sie geht Jesus entgegen und konfrontiert ihn mit ihren Vorwürfen und Fragen. Wärst du hier gewesen … dann… Und Jesus stellt sich der Situation. Doch er eröffnet ihr eine neue Perspektive, ermutigt sie, dort in ihrer Trauer und Verzweiflung nicht stehen zu bleiben, sondern er verweist sie auf sich und fragt: Glaubst du, dass ich die Auferstehung und das Leben bin? Und sie antwortet: Ja, ich glaube, dass du der Messias bist. Mir liegt diese Stelle persönlich sehr am Herzen: Martha spricht ihr Messiasbekenntnis. Nicht nur Petrus hat ein solches gesprochen, sondern hier ist es Martha, eine Frau, die ihren Glauben bekennt. Die Frage gilt in diesen Tagen auch mir und uns: Glaubt ihr, dass ich die Auferstehung und das Leben bin? Trotz aller Todesnachrichten um euch herum? Obwohl es gerade richtig dicke kommt? Glaubst du mir? Jesus erweitert unseren Blick vom Hier und Jetzt um die Dimension der Ewigkeit und spricht dem Tod das letzte Wort ab. Das, was wir hier und jetzt erleben, ist nicht das Letzte, ist nicht das Ende … Ein Wunder!
- Menschen haben Mitleid. Auch in unserer derzeitigen Situation leidet niemand an Informationsmangel, sondern eher an einem Zuviel, das auch Panik und Ängste auslösen kann. Ein Segen ist die Gabe echten Mitleids. Sich die Not des anderen wirklich zu Herzen nehmen und mithelfen, die Not zu wenden. Jesus weint am Grab seines Freundes Lazarus. Dieser Gefühlsausbruch ist eine zutiefst menschliche Reaktion, der dann unmittelbar der entscheidende Schritt zum Helfen folgt. Sehen wir nicht einfach nur tatenlos zu. Das Hilfswerk Misereor ruft uns an diesem Sonntag trotz eigener Notlage zum Mitleid mit den Menschen in Syrien und im Libanon auf. Vergessen wir diese Menschen nicht. Ein Wunder!
Wir brauchen in diesen Tagen ein Wunder, viele Wunder, vor allem brauchen wir das Wunder der Hoffnung und des Glaubens, der Aufmerksamkeit und des Mitleidens. Amen.